Donnerstag, 23. Juli 2009

Spatzengeschichten


Immer wieder sind Spatzen in mein Leben getreten und haben es mir nicht gerade leichter gemacht.

Als Kind war es der Nachbarjunge mit dem braungebrannten Oberkörper. Nicht selten stand ich mit meiner Freundin am Fenster um nach ihm Ausschau zu halten. Wenn dann meine kleinen Brüder gefragt haben, warum ich rausschaue, habe ich gesagt, ich beobachte die Spätzchen.

Der nächste Spatz war nackt und lag in unserem Garten. Ich habe ihn mit rein genommen und ihm Brei eingeflösst und ihm dann ein Nest gebaut und in den Backofen getan (auf niedrigster Stufe...weil es draußen so kalt war, für den armen nackten Spatzen)...da saß ich dann die halbe Nacht vor dem Backofen und musste irgendwann feststellen, dass auch die niedrichste Stufe zu heiß für kleine nackte Spatzenherzen ist...denn dieses hörte auf zu schlagen und auch sein hungriges Piepsen verstummte. Das löste bei mir Krokodiestränen aus, ich fühlte mich schuldig des Mordes an einem armen, hilflose, nackten Spätzchen. Das einzig Positive an dieser Geschichte war, dass mich am nächsten Morgen mein Biolehrer zu einer mündlichen, benoteten Hausaufgabenabfrage drannehmen wollte. Als ich ihm die herzerweichende Geschichte von dem Spatzen erzählte lies er Gnade vor Recht ergehen (was ich sonst bei ihm nie erlebt habe) und gab einem anderen Kind die 4 oder 5.

Dann war da "Pieps", der ein halbes Jahr lang ein volles Mitglied unserer Familie war. Auch ihn fanden wir nackt in unserem Garten und liessen diesmal die Nummer mit dem Backofen aus. Wir schafften es tatsächlich ihn soweit aufzupäppeln, dass er wuchs und Federn bekam und lernte zu Fliegen. "Pieps" war sogar mit uns im Campingurlaub in Frankreich. Wenn er krank war wachten wir abwechselnd an seinem Nest und schoben ihm durchgeschnittene Anglermaden in das hungrige Maul und flössten ihm mit einer Spritze Wasser ein. "Pieps" war schon ein wackeres Kerlchen und ein munterer Gesell. Er war das 4te Kind meiner Mutter :o) Eines Teges rief diese mich völlig aufgelöst an. Sie war gerade mit "Pieps" bei ihren Eltern und hatte ihn kurz im Garten allein gelassen. Eine bösartige Katze nutzte schamlos seine ungeschickten Flugkünste aus und missbrauchte ihn als Spielzeug. Meine Mutter fand nurnoch ein paar Büschel Federn quer im Garten verteilt.

Man sollte meinen, dass ich aus diesen Geschichten gelernt hatte...aber mit den Jahren verblassen die Erinnerungen und so begab es sich, dass ich letztes Frühjahr im Morgengrauen mit meinem Bruderherz von einer Party Nachhause kam und wir dann so ein kleines, schon befedertes Wesen ängstlich am Boden kauern sahen und es mitnahmen. Wir tauften es "Kurt" und diesen Fehler werden wir uns nie verzeihen. In meinem schönen warmen Zimmer taute der fröstelnde Kurt (der diesmal kein Spatz sondern wohl eine Meise war, siehe Bild)schnell auf und wurde munter...er lies uns keine Ruhe und so befreite ich ihn aus seinem provisorischen Wäschekorb-Käfig, damit er ein paar Runden in meinem Zimmer drehen, und wir noch ein paar Stunden Schlaf bekommen konnten, bevor wir ihn zurück zu seinem Baum bringen wollten. Doch Kurt wollte es anders und flog mit voller Wucht gegen mein Fenster um sich das Genick zu brechen. Ich trauerte den ganzen Tag um Kurt und hatte nun schon 2 arme Wesen auf dem Gewissen.

Heute war es dann wieder so weit. Der nächste Spatz wollte in mein Leben treten. Mich über das gute Wetter freuend und so gut gelaunt, wie es für mich zu morgendlicher Stunde möglich ist, radelte ich gen meiner Arbeitsstelle. Da kauerte doch glatt ein augewachsener Spatz mitten auf der Straße. Ich habe versucht ihn mit dem Fuß anzustupsen, damit er sich ein gemütlicheres Plätzchen zum Schlafen suchen würde, aber er wollte nicht. Also nahm ich ihn vorsichtig hoch, um festzustellen, dass er nicht viel mehr wog als eine Briefmarke und völlig verkrustete, blinde Augen hatte. Diesmal wollte ich es besser machen und mir und ihm alle weiteren Leiden ersparen. Deshalb fragte ich den nächsten Bauarbeiter, den ich nicht lang suchen musste, ob er das arme Ding mit Hilfe seines Spatens erlösen könne. Leider geriet ich an einen sensiblen Bauarbeiter, der nur meinte "Ne, dit mach ik nich, ik töte doch keene Tiere." So setzte ich den Kleinen in das nahegelegene Gebüsch und machte mir den Rest der Fahrt Vorwürfe, dass ich ihn nicht einfach auf der Straßen sitzengelassen hatte, damit er sich selbst (bzw. das nächste Auto ihn) von seinen Qualen hätte erlösen können.

Heute Abend las ich dann in der Zeitung, dass in Deutschland die erste Wilvögel-Epedemie ausgebrochen ist, von der auch viele Spatzen betroffen sind und die wahrscheinlich durch die Vogeltränken, die wir Menschen bereitstellen, übertragen wird. (Für Mama: ich habe mir auf der Arbeit sofort gründlich die Hände gewaschen und meinen Fahradlenker desinfiziert)

Und die Moral der Geschichte/n: Der Lauf der Natur ist grausam aber gut geplant...nicht immer ist es sinvoll sich da einzumischen...

6 Kommentare:

  1. Liebe Anna,
    so grausam ist die Bilanz doch gar nicht, der Spatz mit dem braungebrannten Oberkörper scheint überlebt zu haben! Und vor allem wenn man bedenkt, dass von zwei Millionen Korallen Geburten nur eine überlebt.

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  2. Danke für diese erfrischende Augenöffnen :o)

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  3. na zum glück waren das (bis jetzt) keine männer

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  4. köstlich und zum schießen mein bannchen deine spatzengeschichten. ich will mehr davon :)

    grüße dein ricky xx

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  5. Spatzen und Katzen, beide kommen manchmal unter die Räder.
    Gut, dass du dem Erstgenannten nicht als Spätzin auf den Leim gegangen bist, der hätte dich vielleicht auch nur zum Frühstück vernascht.
    Kürzlich lag hier ein schöner, schneeweißer Kater auf unserer Straße, tot(!!!), trotz männlich!
    Anonymus, dass mit den Korallen ist ja traurig, sind da keine "Männchen" dabei?
    Den mit der Meise im Zimmer kannte ich noch gar nicht Anna, haste mir glatt unterschlagen, was?

    Im Übrigen bin ich dir sehr dankbar, dass du das mit dem Desinfizieren erwähnt hast,
    möchte wirklich nicht, dass mein Alphaweibchen dabei drauf geht!
    Hoffe du übst diese Praxis schon mal gründlich für das virenverpestete Südamerika ein!!! Und erkundige dich mal nach Mund- Nasenschutz!
    Grüße auch an den Ricky xx

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  6. STERN!
    du schreibst so GEIL!
    ..ich wusste garnichts von deinem spatzen-leben! warum muss ich so davon erfahren ;)

    xxmoni

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