Dienstag, 19. Mai 2009

Das ist Annas Welt

Herzlich willkommen in Annas Welt. Wer hätte das gedacht...Anna und das Internet sind Freunde geworden. Früher machte sie noch einen großen Bogen um alles, was mit modernem Technik Schnik-Schnack zu tun hatte...und jetzt hat sie es ganz allein (nachdem irgenwelche tollen Menschen eine idiotensichere Handhabung erfunden haben) geschafft, sich einen Blog zu erstellen...

Hier meine erste Geschichte. Sie handelt von Anna und Mr. Gott :o)

Es war an einem verschneiten (für Berlin treffender: vermatschten) , dunklen Dezembermorgen um 7:30Uhr. Mit meinem riesigen, schwarzen Weltenbummler-Rucksack (vor einer Weile hat ein Mann im Zug gemeint „der Rucksack ist ja größer als das Mädchen“) machte ich mich auf den Weg zum Busbahnhof, um mit dem Überlandbus meine Freundin in Thüringen zu besuchen. Noch 45 Min. bis zur Abfahrt des Busses: „Das sollte gut zu schaffen sein“, dachte ich mir...doch Berlin belehrte mich eines Besseren: „Mensch Anna, so langsam solltest du wissen, dass hier an jeder dritten Ecke gebaut wird und das einzige Transportmittel auf das du dich verlassen kannst, dein blauer Flitzer (Fahrrad) ist“. Es gab also eine Baustelle und das noch verschlafene, an seinem Take-Away Kaffee schlürfende, Berliner Arbeitervolk, samt mir, wurde langsam aber sicher munterer. Zuerst wurden wir mitten auf der Strecke aus der S-Bahn gescheucht und dann bombardierten uns die geschätzten Herrschaften der Berliner Verkehrsgesellschaft mit Ansagen, an welchem Gleis nun welcher Ersatzzug fahren würde und wie man wo umsteigen müsse um hier oder dort hinzugelangen. Für mich, die ich um diese Zeit normalerweise meine zweite Tiefschafphase erlebe, war dies ein wirksamerer Muntermacher, als der lauwarme Kaffee in meinem Pappbecher. Mein Adrenalinspiegel stieg senkrecht nach oben: “Oh oh, noch 20 Min bis zur Abfahrt des Busses! Wie muss ich wo umsteigen um zu dem ollen Bahnhof zu kommen? Mist, dass ich immer noch keinen Plan vom Berliner Verkehrsnetz habe“...mit halbem Ohr hörte ich, wie eine etwas zerbrechliche, kleine, ältere Dame die selbe Frage an einen Mitfahrenden stellte. Normalerweise fühle ich mich in solchen Situationen immer sofort verantwortlich für meine Mitmenschen, heute aber mal nicht: „Nun ja, die wird ihren Weg schon finden, ich hab genug mit mir selbst zu tun. Mich jetzt auch noch um die Dame kümmern zu sollen ist um diese Uhrzeit, unter gegebenen Umständen nun wirklich zu viel verlangt, Gott“, dachte ich und konzentrierte mich wieder ganz auf die Lautsprecheransagen. Am nächsten Umsteigebahnhof (es waren noch 10 Min. bis zur Abfahrt meines Busses) sah ich die alte Dame wieder...sie schaute sich mit einem, leicht an Verzweiflung grenzenden, hektischen Blick, nach jemandem um, der ihr die nächste U-Bahn sagen könnte, die sie zu nehmen hatte. „Na gut Gott, du hast gewonnen“, dachte ich, „sie findet also doch nicht allein ihren Weg, dann klemm ich sie mir eben unter den Arm, ist sowieso schon fast utopisch, dass ich jetzt noch meinen Bus erwische.“ Ich klärte die Dame über mein Vorhaben auf und sie überlies mir sogar, mit ein ganz klein wenig Misstrauen im Blick, ihre zentnerschwere Tasche...und schon konnte man uns beide hektisch durch den U-Bahnhof schlurfen sehen...drei Stationen von unserem Ziel entfernt. „Mist, die nächste U-Bahn fährt erst in 8 Minuten, ob wir versuchen sollten ein Taxi zu erwischen?“ Gesagt getan, wir versuchten es...jedoch ohne Erfolg...also wieder ab in Berlins Unterwelt und da kam auch schon die U-Bahn...2 Minuten vor Abfahrt meines Busses. Wie sich herausstellte, war es auch der Bus der alten Dame, die mir nun mit zittrigen Stimme und immer feuchter werdenden Augenwinkeln erzählte, dass sie über Weihnachten zu ihrem Mann fahren wolle. „Wir erwischen den Bus sicher nicht mehr, ich fahre nun schon seid 5 Jahren mit diesen Bussen und die verspäten sich nie.“ -„Na klar erwischen wir den Bus noch.“ sagte ich und versuchte meine Stimme möglichst zuversichtlich klingen zu lassen, mit Hilfe des letzten Bisschens meiner eigenen, dahinschwindenden Hoffnung. 5 Minuten NACH Abfahrtszeit unseres Busses erreichten wir die U-Bahnhaltestelle am Funkturm...nun lagen nur noch 5 Minuten Fußweg vor mir, mit der alten Dame im Schlepptau sicher 7 ½. Ich gab ihr also ihre Tasche (ganz reichte ihr Vertrauen noch nicht aus, mich mit ihren Habseligkeiten davonrennen zu sehen) nahm die Beine in die Hand und rief ihr zu, ich werde den Bus aufhalten. Traurig sah sie mir nach und machte sich tapfer auf den Weg. Am Bahnhof angekommen, welch WUNDER, stand der Bus nach Thüringen noch da und der Fahrer war eifrig damit beschäftigt duzende von bunten, auf dem Bahnsteig verstreuten, Gepäckstücken in den Bauch seines Busses zu verladen, was sicher noch 10 Minuten in Anspruch nehmen würde. Ich knallte meinen Weltenbummler-Rucksack neben die liebevoll verpackten Weihnachtspäckchen und rannte zurück. Mit einem siegestaumelnden Grinsen und einem „danke Jesus“ im Herzen, teilte ich der völlig in sich zusammengesackten alten Dame, die mir auf halber Strecke zum Bahnhof entgegenkam, mit, dass unser Bus noch nicht abgefahren sei. Schlagartig hellte sich ihr trostloser Blick auf, sie gab mir bereitwillig wieder ihre Tasche (ob sie ihren Mann mit einem Stück der alten Berliner Mauer zu Weihnachten überraschen wollte?) und lief hinter mir her, fast so beschwingt wie eine junge Gazelle. Sie konnte ihr Glück kaum fassen! Es war ein Doppeldeckerbus. Mein Sitzplatz war oben und ihrer war unten...in der überschwänglichen Hektik, mit der wir den Bus erreichten, vergaßen wir völlig, uns voneinander zu verabschieden und als ich oben auf meinem Platz saß, ganz in Gedanke an das Wiedersehen mit meiner lieben Freundin versunken, vergaß ich auch schnell die alte Dame. Nach ein paar Stunden, die wir durch hübsche, verschneite Landschaft fuhren, hielt der Bus in einem Städtchen, in dem ich noch nicht aussteigen musste. Plötzlich hörte ich ein dünnes, verzweifeltes Stimmchen neben mir auf dem Gang vor sich hinprappeln: „Wo ist sie denn nur?“. Es war MEINE ALTE DAME, die ihren Blick suchend über die Fahrgäste schweifen ließ. Ich ging zu ihr hin und sagte: „Auf Wiedersehen, fröhliche Weihnachten.“ Sie schaute mich mit einem dankbaren Blick an und sagte, wie zu sich selbst. „Ah, da ist sie ja. DANKESCHÖN. SIE WAREN EIN ENGEL.“ Dann verschwand sie aus dem Bus und ich sah, wie sie draußen glücklich ihrem Mann in die Arme sank, ihm ihre Tasche übergab und dann händchenhaltend mit ihm in den grauen Dezembertag devonspazierte. Jetzt war ich es, die feuchte Augenwinkel bekam. Ein warmes Gefühl überkam mich und ich sagte, wie zu mir selbst: „Wenn es sich so gut anfühlt, kannst du mich ruhig öfters mal als Engel einspannen.“

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