Sonntag, 18. Oktober 2009

Ein Abend im Konzerthaus

Der Gendarmmarkt erstreckt sich wie eine Märchenlandschaft, wie eine Filkulisse, die man vergessen hat nach den Dreharbeiten wieder abzubauen, vor meinen Augen. Wunderschöne hochgewachsene, weiße Türme in deren Mitte das Konzerthaus tront, dem ich heute Abend einen Besuch abstatten werde.
Ich mische mich unter das gut gekleidete Volk im reiferen Lebensalter. Für sie ist es ein ganz normales dienstags abends Amüsemant, für mich ein Ausflug in eine unbekannte Welt. Ein Junge, der sich mit Papas Schlips und Kragen als feiner Herr verkleidet hat und den ich fast fragen möchte, ob er sich nicht langsam auf den Weg zu seinem Bettchen begeben wolle, weist mir in hochgestochener Sprache den Weg zu meinem Sitzplatz. Loge 4, 2. Stock, rechts. Das innere des Konzerthauses hält was seine Fassade verspicht...fein gearbeitete Gemälde, goldene Schnörkel und riesige schwere Kronleuchter erhellen den Saal. Beim Hinsetzten frage ich mich noch, wozu Menschen ihre Jacken an der Garderobe abgeben, als mir klar wird, dass das ihre einzige Chance ist, ihre sorgfältig ausgewählte Abendgarderobe in ganzer Schönheit zu präsentieren (wozu sonst, die langen Minuten vor dem Spiegel, der farblich zum Oberteil abgestimmte Lidschatten, wenn man ihn nicht auch zur Schau stellen kann.)
Ich mache es mir auf Platz 7 bequem und schon ertönt das zweite Klingeln. Kurz darauf betritt das Cellogenie (Daniel Müller-Schott), was uns heute Abend unterhalten wird und was von ca. 300 Augenpaaren sowie einem Pianisten auf seinen Platz begleitet wird. Als er zu spielen beginnt herrscht andächtige Stille. Nach dem ersten Stück wird eine kleine Pause eingelegt, die aber nicht etwa zum Klatschen bestimmt ist, sondern ausschließlich zum Räuspern und Husten. Einer macht es vor und schon fällt 50 anderen ein, dass sie sich ja auch ganz dringend mal räuspern müssten. Dieses Spiel wiederholt sich ein paar mal, bis endlich der Satz beendet ist und das Publikum die musikalische Leistung mit einem Applaus belohnen darf, bevor sich das Scenarium von neuem wiederholt. Stille, Räuspern, Stille, Husten, Stille, Klatschen und zwischendurch Musik...dann die große Pause...kaum ein Stuhl bleibt bestetz, denn nun ist die Zeit gekommen, sich an eine der zahlreichen Schlangen anzustellen. Welche das ist, spielt dabei nur eine nebensächliche Rolle. Die einen entscheiden sich für die Toilettenschlange, andere reihen sich geduldig an der Sekttheke ein. Ohne Schlange, kein Pausengefühl und somit ist es egal, dass das erste Klingeln schon das nahe Pausenende eingeläutet hat und noch immer 2 Durstige vor einem in der Schlange stehen. In Windeseile wird der Sekt hinuntergekippt, sodass man gerade so beim zweiten Klingeln den Saal erreicht und es bis zum Dritten auf seinen Platz geschafft hat. Das Pausentiming ist perfekt und man widmet sich zufrieden dem dritten Satz des Konzertes. Stille, Warten auf die erste Pause zum Räuspern....
Ich stelle bewundernd fest, dass es noch Menschen gibt, die sich mit Höherem als flimmernden Kisten oder atembetäubender Musik, eingehüllt in Rauchwolken, die Abende vertreiben. Diese Musik ist so leichtfüssig, so unaufdringlich, dass sie einen zur Ruhe führt und die Ruhe führt einen zum Denken und das Denken ist nicht immer meine liebste Abendschäftigung...anscheined gibt es aber noch Menschen, die nicht davor flüchten...obwohl sich ein paar Häupter gesenkt haben und den wohltuenden Klängen nur noch aus der Ferne, in einem Traum lauschen...

2 Kommentare:

  1. Dankeschön für diesen kurzweiligen Bericht deiner Samstagabendbeschäftigung, man kann es auf diese Weise recht gut "nacherleben".
    Nur, ....dein Fazit bleibt etwas unklar!
    War es nun ein gelungener oder eher ein anstrengender Abendfüller, weil man von Husten -und Räusperdelitanten einerseits gestört, doch durch die wunderbar beruhigende Musik widerum zu viel zum
    Nachdenken gezwungen war, statt sich nur hingerissen der mitreißenden Klangwelle hinzugeben in reiner Gefühlsduselei, ohne lästiges Nachdenken???

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  2. O.k. es war schön....nur das Denken war gewöhnungsbedürftig...und ich war müde und bin auch fast eingeschlafen, wie ein paar ältere Herrschaften...die Musik war Klassik...

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