Donnerstag, 22. Oktober 2009

Schönhauser Allee

Zum dritten mal an diesem Tag gehe ich die Schönhauser Alle rauf und wieder runter...mit dem einzigen Unterschied, dass ich diesmal anwesend bin.
Ich frage die Bäume, ob sie noch nicht mitbekommen hätten, dass jetzt Herbst sei..ob sie vielleicht den Kälteeinbruch verschlafen hätten...sie antworten mir, dass sie dieses Jahr einfach nicht die Zeit gefunden haben, ihre Blätter einzufärben...es sei ja auch viel unkomplizierter, sie einfach so grün wie sie sind abzuwerfen...wozu den ganzen Umstand mit dem Farbenspiel? Ich schimpfe sie müßig und warne sie, sich an die Spielregeln zu halten, sonst wird sie der erste Schnee dabei ertappen, wie sie sich immernoch in sattem grünen Kleid der Sonne entgegenrecken...und die Menschen der Schönhauser Alle werden sich um den Herbst betrogen fühlen.
Das Hundexkrement, an dem ich heute Morgen noch schlaftaumelnd im letzten Moment vorbeigehüpft bin ist nun schon trocken und festgetreten...2 Asiaten wuchten eine riesige Bambuspflanze in einen Hauseingang...der wird es da draußen wohl auch langsam zu kalt.
Bei einem Gebäude wurde nun endlich das Baugerüst entfernt und man sieht es in einem wunderschönen, neuen, weiß bestuckten Kleid erstrahlen.

Am Tag mag ich es nicht, die Schönhauser Alle entlang zu laufen...zu viele Menschen, zu viel Lärm...man muss ständig aufpassen niemanden anzurämpeln oder unter ein Fahrrad zu kommen...nachts ist das ganz anders...den anderen einsamen Gestalten, die die Straße entlagschlendern fühlt man sich irgendwie nah...fast verwand...beinahe möchte man sie grüßen, wie man sich in einem Dorf grüßt, wenn man sich begegnet...dann gibt es noch die Gruppen junger Menschen die an jedem beliebigen Wochentag partyhungrig, mit Bierflaschen in der Hand durch die Straße ziehen, sie sprechen: Schwedisch, Englisch, Spanisch, Französisch, Holländisch...und manchmal auch Deutsch...man hört Absätze auf dem Asphalt klackern, Mädchen kichern und Jungs den anderen ihre neusten Songs auf dem Handy vorspielen...und dann sind da die Päärchen, die händchenhaltend aus einer Pizzaria kommen oder sich darüber unterhalten, welchen Film sie ind er Videothek leihen wollen.

Ein junggebliebener Professor mit langem Haar und Bart in Cordhosen und Chucks verschwindet in einem Hauseingang, hinein in sein Leben...ein Hippiepapa wartet mit seinem Kind und einem Haufen Wanderrucksäcken und Taschen an der Straßenecke. Vor meinem Haus sitzen 2 junge Männer auf der Bank, rauchend und einen Schawarma essend.

4 Kommentare:

  1. Das Leben in Berlin macht Anna prosaisch?
    Oder, die Macht des Prosaischen in Berlin, macht Anna?
    Oder einfach: Anna macht Prosa in Berlin?

    Ich kenne Berlin nicht bei Nacht, und bei meinem altgedienten Sarkasmus wäre Romantik die letzte Mutmaßung bezüglich dieser Stadt - anscheinend habe ich etwas versäumt. Und sei es nur eine geschickt getarnte Städtereklame :)

    Aber ganz ehrlich, nett geschrieben und eine Aufforderung, auch bei altbekanntem, mit offenen Augen durch die Stadt zu ziehen…

    Gruß Lorenz

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  2. Es ist gar nicht so einfach in Berlin mal Ruhe für Poesie/Prosa zu finden...deshalb ist die Nacht meine einzige Chance...Anregungen gibt es genug, eigentlich viel zu viele...Reizüberflutung...die Nacht hüllt alles in ihr dunkles Kleid, sodass es einfach wird das Einzelne zu betrachten...ohne buntes Flimmern vor den Augen...dankeschön, du willst wohl meine Lektorin vom Tron stoßen :-) Auch liebe Grüße

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  3. Was ist dem noch hinzuzufügen? Ich mag auch deine literarischen Nachtwanderungen!!!

    Berlin selbst ist mir bei unserem letzten Besuch doch tatsächlich, sowohl bei Tag als auch bei Nacht, lieb geworden , hätte ich nicht erwartet, echt!
    Bei uns schifft der Herbst schon wieder tonnenweise Eichenlaub vor die Tür, find ich n`bissel heftig, die dazugehörigen Eicheln, nicht weniger zahlreich dieses Jahr, benutze ich zum Fitnesstraining, bin den ganzen Tag am kicken und habe den Ehrgeiz, das aufgeräumteste Pflaster der Straße zu präsentieren.
    Ansonsten ergeben sich natürlich hier weniger Interessantikkeiten, aber wahrscheinlich bin ich nur nicht aufmerksam genug um sie zu bemerken, oder ich besuche meine Straße zu selten bei Nacht?

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  4. Das mit dem Eicheln kicken find ich süß...ich bin überzeugt davon, dass du die Gewinneren des Preises für das Eichelfreihste Stück Weg vor der Haustür sein wirst!!!! Ich werde dir dann feierlich die gildene Eichel überreichen!

    Jetzt bin ich gerade mitten im Wald...wo ich gar nicht erst anfangen brauch zu kicken...aber hier gehören die Eicheln ja auch hin...liebste Grüße von der ganzen Sippschaft!

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